2666 by Roberto Bolaño

2666 by Roberto Bolaño

Autor:Roberto Bolaño
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-446-23396-6
Herausgeber: Carl Hanser Verlag München
veröffentlicht: 2009-09-07T00:00:00+00:00


Was die toten Frauen von August 1995 betrifft, so hieß die erste Aurora Muñoz Álvarez. Ihre Leiche fand man auf dem Randstreifen der Landstraße von Santa Teresa nach Cananea. Tod durch Erwürgen. Sie war achtundzwanzig Jahre alt, trug einen grünen Badeanzug, eine weiße Strandbluse und rosa Turnschuhe. Dem Gerichtsmediziner zufolge war sie geschlagen und ausgepeitscht worden: Auf ihrem Rücken waren die Striemen eines breiten Gürtels noch gut zu erkennen. Sie arbeitete als Bedienung in einem Café in der Innenstadt. Der erste Verdacht fiel auf ihren Freund, mit dem sie sich nach Aussage von Zeugen nicht gut vertrug. Dieser Mensch hieß Rogelio Reinosa, arbeitete in der Maquiladora Rem&Co und hatte für den Nachmittag, an dem Aurora Muñoz entführt worden war, kein Alibi. Eine Woche lang wurde er pausenlos verhört. Nach einem Monat, er saß da bereits im Gefängnis von Santa Teresa ein, ließ man ihn aus Mangel an Beweisen frei. Zu weiteren Verhaftungen kam es nicht. Nach Aussagen von Augenzeugen, die keine Sekunde lang den Verdacht gehabt hatten, es könne sich um eine Entführung handeln, war Aurora Muñoz in Begleitung zweier Typen, die sie zu kennen schien, in einen schwarzen Peregrino gestiegen. Zwei Tage, nachdem die Leiche des ersten August-Opfers aufgetaucht war, fand man die Leiche der dreiunddreißigjährigen Emilia Escalante Sanjuán, Oberkörper und Hals von Blutergüssen übersät. Fundort war die Kreuzung Michoacán und General Saavedra in der Siedlung Trabajadores. Zur Todesursache heißt es im gerichtsmedizinischen Gutachten, sie sei erwürgt, zuvor jedoch unzählige Male vergewaltigt worden. Im Bericht des zuständigen Kriminalbeamten, Ángel Fernandez, liest man dagegen, die Tote sei vergiftet worden. Emilia Escalante Sanjuán wohnte in der Siedlung Morelos, im Westen der Stadt, und arbeitete in der Maquiladora NewMarkets. Sie hatte zwei kleine Kinder und lebte mit ihrer Mutter zusammen, die sie aus Oaxaca, woher sie stammte, hatte nachkommen lassen. Sie war unverheiratet, aber einmal alle zwei Monate zog sie mit Arbeitskolleginnen durch die Diskotheken im Zentrum, betrank sich meist und ließ sich von irgendeinem Kerl abschleppen. Eine Beinah-Nutte, sagten die Polizisten. Eine Woche später wurde an der Straße nach Casas Negras die Leiche der siebzehnjährigen Estrella Ruiz Sandoval gefunden. Vergewaltigt und erwürgt. Sie trug Bluejeans und eine dunkelblaue Bluse. Die Arme hatte man ihr auf den Rücken gefesselt. Ihr Körper zeigte keine Spuren von Schlägen oder Folterung. Sie war drei Tage zuvor von zu Hause verschwunden, wo sie zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern lebte. Den Fall übernahmen Epifanio Galindo und Noé Velasco von der Ortspolizei von Santa Teresa, um die Kriminalbeamten zu entlasten, die über zu viel Arbeit klagten. Einen Tag nach dem Fund von Estrella Ruiz Sandoval wurde auf der Brache an der Calle Amistad in der Siedlung La Preciada die Leiche der zweiundzwanzig Jahre alten Mónica Posadas entdeckt. Dem Gerichtsmediziner zufolge war Mónica anal und vaginal vergewaltigt worden, allerdings fanden sich Spermareste auch in der Kehle der Toten, was dazu beitrug, dass in Polizeikreisen die Rede von der »dreikanaligen« Vergewaltigung aufkam. Es gab jedoch einen Polizisten, der sagte, eine vollständige Vergewaltigung habe fünfkanalig zu geschehen. Auf die Frage, welches die beiden zusätzlichen Kanäle seien, erwiderte er: Die Ohren.



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